Seit Bismarck ist es ehernes Gesetz: Wer sich vor dem Altar das Ja-Wort geben will, muss zuerst aufs Standesamt. Im neuen Jahr fällt dieses Gesetz. Aber die katholische Kirche hat Bauchweh, die Protestanten dürfen Ledige eh nicht trauen und für den Staat sind rein göttliche Verbindungen „wilde Ehen“. Ein Paar heiratet kirchlich, ohne sich zuvor auf dem Standesamt das Ja-Wort gegeben zu haben: Was bisher in Österreich und Italien möglich war, wird ab dem kommenden Jahr auch in Deutschland wieder erlaubt. Dann fällt das 140 Jahre alte „Verbot der kirchlichen Voraustrauung“, das aus der Bismarck-Zeit, aus dem Kulturkampf stammt. Holen sich die Kirchen das – wie Luther sagte – „weltlich Ding“ Ehe wieder zurück?
Nur kirchlich heiraten?
Für viele, vor allem ältere Liebespaare geht ein Herzenswunsch in Erfüllung. Nach der neuen Gesetzeslage können sie wieder heiraten und sich vor Gott ihre Treue schwören, ohne ihren Anspruch auf Witwenrente zu verlieren. Denn die Witwenrente wird gestrichen, sobald nach dem Tod eines früheren Ehegatten wieder – standesamtlich – geheiratet wird. Geregelt ist das im Sozialgesetzbuch (§46SGBVI).
Die Deutsche Bischofskonferenz fordert seit Langem, die kirchliche Trauung ohne staatlichen Trauschein freizugeben. Doch jetzt bereitet die Neuregelung den Katholiken Bauchweh. Der Münchner Domdekan Lorenz Wolf erklärt warum: Ohne Trauschein vom Standesamt entstehen für die Ehepartner keine zivilrechtlichen Rechten und Pflichten. Und das widerspricht laut Lorenz dem Kern des kirchlichen Ehesakraments, für den Partner zu sorgen in guten wie in schlechten Tagen. Also: „Die kirchliche Eheschließung ohne Zivilehe muss die Ausnahme bleiben.“
Stefanie Uphues, Pressesprecherin der Deutschen Bischofskonferenz, bestätigt dies. Zwar gebe es noch keinen formellen Beschluss, wie die katholische Kirche mit der neuen Rechtslage umgehen wird. Aber die Meinung der Bischöfe gehe doch dahin, die „kirchliche und zivilrechtliche Ehe nah beieinander zu halten“. Das habe sich seit vielen Jahren bewährt, so Uphues.
Ergebnis einer Entrümpelung
So waren es denn auch nicht die Kirchen, die die Gesetzesänderung jetzt mit Nachdruck betrieben haben. Vielmehr ist der Hochzeits-Paragraph einer Entrümpelungsaktion des Personenstandrechts zum Opfer gefallen. Die Regelung sei einfach nicht mehr nötig, erklärt Christoph Bergner vom Bundesinnenministerium.
Die Gefahr: Bigamie mit katholischem Segen
Der Staat hat offenbar wenig Sorgen, dass ihm Ehepaare abhanden kommen. Für die katholische Kirche wirft die neue Rechtslage allerdings durchaus mögliche Probleme auf. Es bestehe die Gefahr, dass die Kirche unter der Hand Bigamie legitimiere, erläutert Domdekan Wolf. So könnte ein heiratswilliger Mann eine zweite, standesamtlich geschlossene Ehe verschweigen. Katholische Ehen ohne staatlichen Segen werden deshalb nur nach eingehender Prüfung und Ausnahmegenehmigungen durch das Ordinariat möglich sein.
Evangelische Pfarrer dürfen nur Verheiratete segnen
Die evangelische Kirche hat solche Probleme nicht. Nach evangelischem Verständnis ist die kirchliche Trauung lediglich eine Segnung eines Paares, das bereits verheiratet ist. Das wurde von der evangelischen Kirche 2004 in einer Leitlinie festgeschrieben, erläutert Kirchenrat Jörg Hammerbacher: “ Es darf also kein bayerischer Pfarrer ein Paar trauen, das nicht standesamtlich verheiratet ist.“
Verwitwete Rentner wären froh
Zumindest derzeit: Denn der evangelische Kirchenrat wird beraten, ob die evangelische Kirche künftig auch Paare ohne Trauschein verheiraten können soll. Damit würde ein großer Wunsch von vielen verwitweten Rentnern in Erfüllung gehen. Die können bisher nicht heiraten, wenn sie auf eine Sicherung aus einer früheren Ehe nicht verzichten wollen. Allerdings beginnen die kircheninternen Beratungen erst und können dem Vernehmen nach Jahre dauern.
Obiger Artikel im Original bei BR-Online – samt Link auf einen interessanten Audio-Interview zum gleichen Thema – HIER >>
Zum selben Thema: Familienrechtler warnt vor rein kirchlichen Trauungen