Sterbehilfe-Stimmen und die Kusch-Katastrophe

Vor Menschen, „die sich mit selbst gebastelten Tötungsmaschinen und gewerblicher Begleitrhetorik als wahrhafte Menschenfreunde aufspielen“, hat der württembergische Landesbischof Frank Otfried July (Stuttgart) gewarnt. Er reagierte damit auf die Aktivitäten des Hamburger Ex-Senators Roger Kusch, der nach eigenen Angaben Ende Juni einer 79-jährigen Rentnerin Sterbehilfe geleistet hat, weil sie angeblich aus Angst vor dem Pflegeheim nicht mehr leben wollte. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat ein Vorermittlungsverfahren gegen den gebürtigen Stuttgarter Kusch eingeleitet. Dessen Aktion habe „hoffentlich allen die Augen dafür geöffnet, auf welch schiefe Ebene die Diskussionen der letzten Jahre um den begleiteten Selbstmord geführt haben“, sagte July am 3. Juli vor der in Stuttgart tagenden Landessynode. Er unterstützte die Absicht der baden-württembergischen Landesregierung, alle gewerblichen Formen von Sterbehilfe zu verbieten. Aus christlicher Sicht seien auch andere Formen einer aktiven Sterbehilfe abzulehnen: „Weil wir glauben, dass unser Leben am Anfang, in der Mitte und am Ende nicht uns, sondern Gott gehört, legen wir es allein in Gottes Hand.“ Der Bischof rief zur Verbesserung der palliativmedizinischen (schmerzlindernden) Versorgung Schwerkranker und zum Ausbau des Hospizwesens auf. Die Formel „das Sterben nicht verlängern, das Leben nicht verkürzen“ sei zwar richtig, aber häufig nicht eindeutig zu lösen. Seelsorger hätten hier die anspruchsvolle Aufgabe, den Sterbenden schützend zur Seite zu stehen.

Scharfe öffentliche Kritik an der Absicht des hannoverschen Vereins „Dignitate“, den assistierten Suizid in Deutschland hoffähig zu machen, hatte zuletzt der Ratsvorsitzende der Ev. Kirche in Deutschland, Prof. Dr. Wolfgnag Huber, geäußert: „Wer einem anderen Menschen beim Selbstmord assistiert, ihn wegen unterlassener Hilfeleistung zu Tode kommen lässt oder gar zur Tötung auf Verlangen bereit ist, leistet keinen Beitrag zu einer Kultur der Fürsorge, sondern zu einer Kultur des Entsorgens von menschlichem Leben.“

Die Bezeichnung „aktive Sterbehilfe“ verharmlose dies, sagte Huber. Es handele sich um Beihilfe zum Suizid oder Tötung auf Verlangen, wie der Nationale Ethikrat klargestellt habe. Allerdings müssten die Hintergründe dieser Diskussion beachtet werden. Viele Menschen hätten die Sorge, auf dem Weg des Sterbens ohne Begleitung und Fürsorge auskommen zu müssen und hilflos der Apparatemedizin ausgeliefert zu sein. Deshalb müssten die Begleitung sterbender Menschen in der Hospizbewegung und die schmerzlindernde Palliativmedizin weiterentwickelt werden.Der Verein „Dignitate“ war 2005 als Ableger der Schweizer Sterbehilfe-Organisation „Dignitas“ in Hannover gegründet worden. Er hatte angekündigt, einen Präzedenzfall zur assistierten Selbsttötung zu schaffen, um die Sterbehilfe in Deutschland durch alle Instanzen gerichtlich überprüfen zu lassen.

Q: Württ. LK / epd Nieders.-HB v. 24.06.08

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