Der Schweizer «Dichterpfarrer» Kurt Marti ist tot

Kurt Marti zählte zu den bedeutendsten Lyrikern der Schweiz. Der reformierte Pfarrer galt seit den 50er Jahren aber auch als analytischer Beobachter des politischen Klimas seiner Heimat. Bekannt wurde der gebürtige Berner durch seine in progressivem Sprachwitz verpackte Gesellschaftskritik. Am 11. Februar 2017 ist Marti im Alter von 96 Jahren verstorben…

Der auf Bildern stets freundlich und hellwach blickende, hoch gewachsene Herr mit großer Brille verfasste seit seinem ersten Band «Boulevard Bikini» (1958) hunderte von Gedichten, viele in Berner Mundart. Sein Spektrum reichte von Naturlyrik bis hin zu konkreter «engagierter» Poesie. Hinzu kamen Essays, Kurzgeschichten und ein Roman. Leser würdigten vor allem seine schwebende und spielerische Leichtigkeit der Sprache.

Auf die Frage, ob er sich mehr als Theologe oder Schriftsteller fühle, sagte Marti einmal: «In mir ist beides eng beieinander.» Er wollte jedoch nicht in die Schublade «christlicher Dichter» gesteckt werden. Der evangelische Theologieprofessor Eberhard Jüngel nannte Marti einen «Theopoeten», weil dessen Texte theologisch und poetisch zugleich sind. Und der aus Luzern stammende Schriftsteller Peter Bichsel würdigt ihn als «großen Meister» der Literatur: «Bei kaum einem anderen habe ich so viel gelernt.»

Zur Theologie kam der am 31. Januar 1921 geborene Sohn eines Notars nach eigenen Worten wie «die Jungfrau zum Kind». Unter seinen Vorfahren hatte es «Bauern, Gemeindeschreiber, Kaufleute, Ärzte, Handwerker, ab und zu auch Tunichtgute und Bankrotteure gegeben, nie jedoch einen Pfarrer». Von der Theologie versprach er sich Einblicke in die großen Lebensrätsel. Insgeheim sogar so «etwas wie Erleuchtung». «Erleuchtung worüber? Über alles! Nicht zuletzt auch über sich selbst».

Trotz zu «geringem Brustumfangs und – obgleich Brillenträger – mit einer bedenklichen Sehschwäche des rechten Auges» wurde er im Jahr 1940 als diensttauglich für die Infanterie befunden – so erinnerte sich Kurt Marti in seiner Autobiografie «Ein Topf voll Zeit», zugleich ein Zeugnis der Schweizer Geschichte von 1928 bis 1948. Die Folgen des Krieges erlebte er in den 1940er Jahren im Pariser Büro der ökumenischen Kriegsgefangenenseelsorge. Der Vater von vier Kindern wetterte schon früh gegen den Kalten Krieg sowie gegen antiliberale Einstellungen seiner militärisch neutralen Heimat.

Marti engagierte sich auch gegen den Vietnamkrieg, agitierte gegen Atomwaffen und Atomenergie, warnte vor der Zerstörung der Alpen oder prangerte das Elend in Entwicklungsländern an. Das verhalf ihm in seinem eher konservativen Umfeld zuweilen zum Ruf, er sei Kommunist oder christlicher Marxist. Nicht zuletzt deshalb scheiterte wohl in den 70er Jahren eine Berufung Martis auf einen theologischen Lehrstuhl für Predigtlehre in seiner Heimatstadt Bern.

Als Seelsorger und Autor vertrat der Schüler des Schweizer Theologen Karl Barth (1886-1968) ein zeitgemäß-aufgeklärtes Christentum ohne falsche Tröstungen. Die christliche Religion dürfe nicht in der Institution Kirche erstarren («Der Heilige Geist ist keine Zimmerlinde»), warnte er. Als Grundton durchzog sein Werk die Einsicht in die Ohnmacht des Menschen angesichts der zerstörerischen Tendenzen seiner Zeit.

In seinen berühmten «Leichenreden» (1969) heißt es nüchtern:
«…betrauern wir diesen mann / nicht weil er gestorben ist / betrauern wir diesen mann / weil er niemals wagte / glücklich zu sein.» In einem Kirchenlied, das seinen Weg ins Evangelische Gesangbuch fand, hofft Marti auf eine «Welt ohne Leid, / wo Gewalttat und Elend besiegt sind.»

Nach seinem Berufsleben als Pfarrer, dem Verlust seiner Frau Hanni Marti-Morgenthaler 2007 und dem Erreichen eines biblischen Alters hatte Kurt Marti offenbar einen nüchternen Blick auf die Ewigkeit entwickelt: «Ob es einen Sinn hat, dass wir alle auferstehen und uns nachher im Himmel wieder begegnen, daran zweifle ich», sagte er einmal in einem Interview der «Berner Zeitung». Bei Beerdigungen habe er immer gesagt, er wisse nicht, ob es ein Jenseits gibt: «Ich kann nicht recht glauben, dass wir als Individuen weiterexistieren. Gott weiß, was er mit mir macht, und ich weiß es nicht.» T & B: uk

 

Links zum Thema:

Berner Zeitung vom 11. Februar 2017 zum Tode von Kurt Marti: http://mobile2.bernerzeitung.ch/articles/589f7334ab5c376071000001

Predigt zu Johannes 20,11-18 von Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber, Berlin, am Ostersonntag, 15. April 2001 – HIER als PDF: https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=3&ved=0ahUKEwi33rHsyY_SAhXFxxQKHeD1BwIQFggzMAI&url=http%3A%2F%2Fberlinerdom.de%2Fdmdocuments%2F20010415_Huber.pdf&usg=AFQjCNHvZ46eG_nkjPbVxZ3Rv37cwYLbRQ&cad=rja

Predigt von Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber am Ostersonntag, 27. März 2016, in der Nagelkreuzkapelle in Potsdam: „Ostern lädt ein zum Aufstand gegen den Tod!“ – hier als PDF >>