Von Ulrich Wilckens, Lübecker Bischof em. und Theologieprofessor. – Am 25. Mai feiert die Christenheit Himmelfahrt. Es ist ein Fest, mit dem auch viele Christen wenig anfangen können – und leider mancherorts nicht mal Gottesdienste stattfinden. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es im Blick auf dieses Ereignis über Jesus: Er ist „aufgefahren gen Himmel, sitzt zur Rechten Gottes, des Vaters. Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Diese Beschreibung zeigt, wie wichtig das Gedenken an Himmelfahrt… …ist. Man könnte das Fest auch als Erinnerung an den Regierungsantritt von Christus bezeichnen.
Der „Himmel“ ist für die Alten der Ort Gottes
Dass Jesus am Ende seiner Zeit als Auferstandener von der Erde in den Himmel erhoben worden ist, ist trotzdem ein Bild, das leicht falsche Vorstellungen erweckt. So liegt die Frage nahe, ob er vielleicht früher als der erste Mensch auf dem Mars gelandet sei. Man muss sich der Symbolik der Sprache bewusst sein, in der Lukas von diesem Ereignis erzählt: Jesus habe seine Jünger gesegnet und sei dann in einer Wolke entschwunden (Lukas 24,51; Apostelgeschichte 1,9). Da für die Alten „der Himmel“ der Ort Gottes war, konnte es für die Jünger nur der Himmel sein, in den hinein ihr Herr durch die Kraft des göttlichen Geistes „(fort) gegangen“ war. Und der Engel korrigiert ihr Hinaufstarren: „Am Ende aller irdischen Zeit wird euer Herr aus dem ‚Himmel‘ zu euch zurückkehren“, um seine Jünger aller Jahrhunderte in Gottes ewiger Nähe zu bergen (Apostelgeschichte 1,11). Bis dahin werden Christen in ihrem irdischen Leben im Glauben mit ihm verbunden sein (Johannes 20,29; 1. Petrus 1,8), ohne ihn als Menschen in ihrer Mitte zu haben – wie ehemals seine ersten Jünger in Galiläa und Jerusalem (Johannes 17,9 ff.). Im Johannesevangelium ist zu lesen, dass in der nachösterlichen Zeit der Kirche der Heilige Geist an seine Stelle tritt (Johannes 16,12–14). Deswegen ist im Kirchenjahr das Fest der Himmelfahrt Christi zeitlich so nah mit dem Pfingstfest verbunden.
Wir hören mit den „Ohren des Glaubens“
Nach Ostern war der Auferstandene nicht nur für die Jünger sichtbar, sondern, wie Paulus im Brief an die Gemeinde im griechischen Korinth schreibt, von „mehr als fünfhundert Brüdern“ (mit Frauen und Kindern also vermutlich von über 1.000 Menschen) gesehen worden. Sie alle sollten Zeugen sein, dass Jesus wirklich leibhaftig auferstanden ist. Seine „Himmelfahrt“ lässt alle Christen im Glauben an ihren Herrn leben, den sie leibhaftig nicht sehen, ihn aber mit den „Augen des Glaubens“ ganz nah bei sich haben und mit den „Ohren des Glaubens“ seine Stimme zu hören vermögen. So kann man sagen: Himmelfahrt ist der Sache nach das Fest des reinen Glaubens.
An Pfingsten geht es dann darum, dass und wie alle Glaubenden der nachösterlichen Zeit mit der Hilfe des Geistes lernen können, mit dem unsichtbaren Jesus so zu kommunizieren wie seine irdischen Jünger vor Ostern (Lukas 24,47; Markus 16,15–20).
Und am Sonntag nach Himmelfahrt ist „Exaudi“
„Exaudi“ („Erhöre uns!“) heißt der Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Da lernt die Kirche, ihren unsichtbaren Herrn in seiner geistlichen Nähe anzurufen: „Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe! Sei mir gnädig und antworte mir! Mein Herz hält dir vor dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen. Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz“ (Psalm 27,7 f.). Und was dann als Antwort Gottes folgt, spricht der Psalmist in so erstaunter Naivität aus: „Kommt her und hört mir zu. Ich will erzählen, was er an mir getan hat: Zu ihm rief ich mit meinem Munde – da war ein Loblied auf meiner Zunge!“ (Psalm 66,16 f.).